Tourtelegramm

Erstellt am Sonntag, 02.08.2009 um 17:10.

Mit jedem Tag, den ich näher an München komme, und an dem mir die durchfahrene Landschaft immer vertrauter wird, verblasst auch langsam das Bewusstsein, dass ich ja auf einer doch recht großen Reise durch Deutschland war. Und die Reise war wirklich groß: „Einmal Deutschland und zurück“ eben. Da hatte ich unterwegs die Idee, dass ich die Tour der vergangenen drei Wochen doch im Telegrammstil zusammenfassen könnte, wobei ich jeden Tag noch mal kurz in meinem Kopf Revue passieren lasse und dann das niederschreibe, was davon am stärksten hängen geblieben ist.

Samstag, 11.07.2009

München – Herrnwahlthann

Der erste Tag, ideales Wetter. Ich habe meine Camera in der Satteltasche verstaut. Für die 10km-Bilder mache ich anfangs noch schriftliche Notizen zur Uhrzeit der Aufnahme. Das erweist sich alles als zu umständlich. Ich optimiere: Camera in die Lenkertasche, keine Notizen, stattdessen immer einen Teil des Lenkers mit aufnehmen, um die 10km Bilder als solche zu „markieren“.

Das GPS ist neu. Ich erarbeite mir die Routine im Umgang damit.

Isarabwärts komme ich gut voran. Ich entschließe mich, Herrnwahlthann anzusteuern, den Stanglbräu. Ich hoffe, dort evtl. Anton Miller zu treffen, den Braumeister vom Kloster Weltenburg, und habe Glück.

Sonntag, 12.07.2009

Herrnwahlthann – Luhe-Wildenau

Am frühen Morgen siedet Anton Miller. Er hat mich eingeladen, dabeizusein. Es wird ein Leichtes Weissbier. Anton erklärt mir seine Anlage, den Brauvorgang und die Geschichte des Stanglbräu. Die Brauanlage steht in der Gaststube, wo ich auch frühstücke. Dieses Frühstück bleibt mir lange in guter Erinnerung.

Aufbruch nach dem Brauvorgang. Die Strecke geht zunächst an der Donau entlang. Vor Regensburg überquere ich den ersten echt hohen Hügel. Nach Regensburg fahre ich zunächst durchs Regental, möchte damit Steigungen vermeiden. Muss dann aber in Richtung Schwandorf ins Naabtal hinüberwechseln. Der Weg ist nicht immer für meine Straßenbereifung und das schwere Gepäck geeignet. Teilweise schiebe ich. In Luhe bin ich halbwegs erschöft. Muskelkater und Kniegelenkbeschwerden bleiben aus, wie auf dem ganzen Rest der Reise. Unterkunft in der Pension „Jägerschenke“ – mit Zeitreisegefühl in die 70er/80er Jahre.

Der UMTS-Empfang ist sehr eingeschränkt. Ich entwickle meine Methode zum Offline-Bearbeiten und zum Umgang mit der geringen Bandbreite.

Montag, 13.07.2009

Luhe-Wildenau – Markneukirchen

Auf der Fahrt durch die Oberpfalz werden Erinnerungen an meine Eltern und an meine Kindheit wach. Das ist der stärkste emotionale Moment der Tour. Ich beschließe, durch Tschechien – Eger und Franzensbad – zu fahren. In Eger verfahre ich mich. Ich habe keine Kartendaten für Tschechien ins GPS geladen, die Papierkarte vom ADFC ist zu grob. Zum Glück kann ich wenige Worte Tschechisch, was die Kontakaufnahme mit einer Gruppe einheimischer Radlerinnen sehr erleichtert. Diese weisen mir den rechten Weg und schenken mir sogar eine Radwanderkarte für das Gebiet um Eger.

Der Anstieg zum Vogtland ist Hölle. Ich verstehe, warum dort die Landesgrenze zu Tschechien verläuft.

Dienstag, 14.07.2009

Markneukirchen – Penig

Eigentlich will ich nach Leipzig. Das schaffe ich aber nicht an einem Tag. Ich peile Penig im Osten an, wo mir ein Kälteprofessor schon seit langem das Peniger Bier empfohlen hat.

Im Vogtland geht es erst noch mal richtig hoch nach oben. Im Wald hinter Markneukirchen begegnet mir ein anderer Tourenradler mit Gepäckanhänger. Er fragt mich, wie die Strecke durch Tschechien sei. Ich sage, sehr einfach im Vergleich zu den Bergen hier. Ich frage ihn, wie es in meiner Richtung mit den Bergen weiter geht? Er sagt, schon noch eine Weile mehr oder weniger auf und ab. Ich staune, als ich ihn nach seiner Route frage: Er kommt aus Dänemark und fährt zum Gletscher am Großglockner.

Nachdem ich im Vogtland den höchsten Punkt der Hinfahrt nach Berlin passiert habe, wird die Strecke einfach: Es geht hauptsächlich bergab. Ich muss kaum in die Pedale treten. In Niedercrinitz mache ich Mittagspause. Der Ort ist so wie ich meine Heimat im Westen vor 30 Jahren noch kannte. Mit Lebensmittelladen, Bäcker, Metzgerladen. Für eine Handvoll Einwohner.

Den Rest des Tages fahre ich die Zwickauer Mulde entlang. Dabei komme ich auch am Volkswagenwerk Zwickau vorbei. In Penig habe ich ein schönes Hotel mit Schwimmbad: „Zum Zuber“. Ich mache Gebrauch von meiner Badehose, die damit nicht umsonst im Gepäck ist. Die Empfehlung des Professors war auch den Abstecher wert.

Mittwoch, 15.07.2009

Penig – Leipzig

Die ersten 20 Kilometer ab Penig finde ich keinen guten Radweg. Ich muss auf der Bundesstraße fahren. Das ist nicht ungefährlich zwischen Leitplanke und Schwerlastverkehr. Ich bin froh, als ich wieder auf Nebenstraßen komme. Vor Leipzig lasse ich in einem Fahrradgeschäft mein Vorderlicht reparieren.

In Leipzig war mein Ziel die Gosebrauerei im Bayerischen Bahnhof. Die Gose ist gut, aber die Gosenschänke in Gohlis hatte mir letztes Jahr deutlich besser gefallen. Ich nehme mir vor, bald wieder nach Leipzig zu reisen, auch um mal etwas von der Stadt und ihrer Kultur kennenzulernen. Auf dieser Tour fehlt die Zeit dazu.

Donnerstag, 16.07.2009

Leipzig – Lutherstadt Wittenberg

Das Gelände ist jetzt weitgehend flach. Probleme bereitet der Sandboden in den Kiefernwäldern. Ich stelle mein GPS um, mich nicht auf unbefestigte Wege zu leiten. In Wittenberg ist es schwül-warm. Ich kann im Hotel aber kein Fenster öffnen, weil die Elbe dort eine hervorragende Brutstätte für Mücken scheint.

Freitag, 17.07.2009

Lutherstadt Wittenberg – Berlin-Charlottenburg

Nach Berlin sind es noch über 100km, doch vorher noch mal Übernachten lohnt sich nicht. Ich nehme mir vor, heute anzukommen. Vor Potsdam gerate ich in den ersten Regen auf meiner Tour. Gewitter. Ich fahre durch. In Potsdam fahre ich über die schlechtesten Straßen der Tour: altes Kopfsteinpflaster, das wohl noch für Pferdefuhrwerke gebaut wurde.

Noch im Regen erreiche ich die Stadtgrenze. Die Zielfahrt über die Glienicker Brücke und vorbei am Olympiastadion war so nicht geplant. Um so großartiger das Gefühl, während ich an diesen historischen Stätten vorbei fahre.

Ich komme relativ spät in Zentrumsnähe an, nach 19:00 Uhr, und nehme deshalb kurzerhand das erste Hotel am Kaiserdamm.

Samstag, 18.07.2009

Charlottenburg – Tempelhof

Ich suche mir in HRS ein Hotel für die übrigen Berlintage. Eines in Tempelhof ist am geeignetsten, weil gut mit der U-Bahn angebunden und in mittlerer Preislage von allen angebotenen. Die Fahrt dorthin nutze ich zu einer Fahrt mit dem Rad durch das Brandenburger Tor, durch das Regierungsviertel und zum Alexanderplatz, wo ich den großen Fernsehturm sehen will, ein Bauwerk, das mich seit meinem ersten Berlinbesuch vor einigen Jahren stets fasziniert.

Der zweitstärkste emotionale Augenblick meiner Tour ist, als ich durch das Brandenburger Tor fahre.

Sonntag, 19.07.2009

Berlin

Ausschlafen, ausgedehntes Frühstück mit Arbeit am Blog im Irish Harp Pub Nähe Kudamm. Nachmittags die von Peter empfohlene Brückenfahrt, verkürzte Variante durch den Lanwehrkanal nach Charlottenburg. Abends wieder Gewitter. Ich probiere eine andere Eckkneipe in Charlottenburg: Das Thomas-Eck.

Montag, 20.07.2009

Berlin

Wieder Ausschlafen. Dann erst das Rad in eine Werkstatt gebracht: Rücklicht reparieren lassen und vor allem: Neue Bremsbeläge monitieren lassen. Kurz vor Mittag schnell in einer wichtigen Lokation meiner Firma vorbei schauen. Nachmittags bummeln gehen, einige Besorgungen, unter anderem eine neue CF-Karte 4GB für die Camera. Das Rad wieder abholen und in die Hotelgarage stellen.

Abends würde ich gerne auf den Fernsehturm am Alex. Der Andrang ist aber zu groß, die Zugang stark reglementiert mit Nummernvergabe und zehnminütigem Zeitfenster, in dem man dann anwesend sein muss. Wartezeit ca. drei Stunden. Ich gehe stattessen nochmal zum Mommsen-Eck, esse zum Abschluss des Berlinaufenthalts Leber Berliner Art und probiere französische und belgisch-schottische Biere.

Dienstag, 21.07.2009

Berlin – Belzig, durch den Fläming

Die Zuckerbiere aus Frankreich und Belgien bereiten heftige Kopfschmerzen. Die ersten Kilometer aus Berlin heraus sind ziemlich beschwerlich. In Schlachtensee versuche ich, mit Erdbeeren vom Wochenmarkt (Obst=frisch=Vitamine=gesund) den Kopfschmerz zu bekämpfen. Ich erzähle dem Obsthändler von meiner Tour. Er beschenkt mich mit Aprikosen, Äpfeln und Orangen. Die Orangen packe ich ein und esse sie eine Stunde später unterwegs. Der Schmerz lässt nach.

Teilweise kreuze ich den Weg von meiner Anfahrt nach Berlin am vergangenen Freitag. Die Umgebung ist wieder geprägt von Kiefernwäldern. Die Radwege sind gut ausgebaut und asphaltiert. Sonst könnte ich den sandigen Boden nicht befahren.

In Belzig suche ich eine Unterkunft. Vor dem ersten Hotel stehen große Paulaner Regenschirme. Ich hätte lieber regionale Gastronomie. Das andere Hotel in Belzig hat leider keine Zimmer mehr, so muss ich doch bei „Paulaner“ einkehren.

Mittwoch, 22.07.2009

Von Belzig über Magdeburg nach Calbe (an der Saale)

Mein Plan ist, etwas weiter westlich zurückzufahren, vor allem um einen anderen Weg zu nehmen, als auf dem Hinweg und um Neues zu sehen. Magdeburg ist die nächstgelegene große Stadt und liegt genau in Richtung Westen. Das Wetter ist zum ersten mal richtig regnerisch. Magdeburg wäre auch eine Option zum Übernachten. Zudem klingt es gut, so finde ich, wenn ich sagen kann, ich war schon mal mit dem Rad in Magdeburg – von München aus – über Berlin.

Vor Mageburg hört der Regen wieder auf. Ich fahre die Elbe entlang, überquere sie mit einer Gierseilfähre und fahre bis Calbe an der Saale. Landschaftlich ist alles sehr schön. Die Region kommt mir im Vergleich zum reichen Bayern sehr arm vor. Die Straßen in den Städten sind sehr schlecht, altes Kopfsteinpflaster, viele alte Häuser, leer stehende Läden und Lokale. Ich frage mich wie die Leute dort ihr Geld verdienen.

Die Unterkunft suche ich über die POIs (points of interest) in der Datenbank meiner Opensource-GPS-Karte. In meiner Richtung, Süden, gibt es in 10km Entfernung ein „Bed and Breakfast“. Eine Frau in Calbe vermietet Zimmer – vorwiegend für Monteure. Es ist eines frei. Sehr frei. Ich bin der einzige Gast.

Abendessen in der am Abend wie eine Geisterstadt wirkenden Innenstadt von Calbe bei einem Chinesen. Der Inhaber ist jedoch Vietnamese, sehr freundlich und fahrradbegeistert. Er erzählt mir von seiner Jugend in Vietnam und seinem Fahrrad.

Donnerstag, 23.07.2009

Calbe (Saale) – Karsdorf (Burgenland)

Heute geht es darum, Strecke zu machen. Ich will nach Süden zum Annafest in Forchheim. Dazwischen liegt kein Ort mehr, an dem ich einen längeren Aufenthalt vorhabe. Bestzenfalls Weimar, denke ich mir, aber nur, wenn es zufällig am Ende einer Tagesetappe zu liegen kommt.

Die größte Stadt ist heute wieder eine Lutherstadt: Eisleben. Es ist ein heißer Tag mit viel Sonne. Die Strecke ist sehr hügelig. Da bin ich auch nicht sehr überrascht, als ich auf den Ortseingangsschildern „Südharz“ lese. Im Westen sehe ich in der Ferne unnatürlich aussehende graue kegelförmige Berge. Offenbar Halden vom Tagebau in dieser Gegend. Ich erinnere mich, wie ich vor vier Jahren einen Freund in Quedlinburg besucht hatte. Wir hatten bei einem Ausflug auch den See in Nachterstedt angeschaut. Ein komisches Gefühl.

Am frühen Nachmittag bin ich in Eisleben. Ich studiere die Karte und stelle den nächsten Teil der Route im GPS ein: nach Querfurt. Es will keine Radwege und Nebenstraßen finden, leitet mich über eine große Bundesstraße. Am Ortsausgang von Eisleben noch schnell in einen Supermarkt – Wasser und Apfelschorle besorgen.

Noch vor der Bundesstraße beginnt es zu regnen. Wind kommt auf: Gegenwind. Die Straße geht einen langezogenen Hügel hinauf. Dieses Wegstück ist das bisher unangenehmste der Tour.

Vor Querfurt kreuzt die Bundesstraße eine Autobahn. Ab da lässt der Verkehr nach. Der Regen hat auch aufgehört. Der Himmel wird wieder blau und die Sonne scheint. Ich suche aus den POIs meines GPS ein Quartier. Ein Landgasthof liegt in meine Richtung. Als ich ihn erreiche sehe ich, dass er wegen Urlaub geschlossen ist – genau bis heute 😉 . Der nächste POI ist keine 10km weiter. Auch ein Landgasthof – in Karsdorf.

Freitag, 24.07.2009

Karsdorf (Burgenland) – Bad Berka

Beim Frühstück erzähle ich dem Wirt vom Landgasthof, dass ich in Richtung Weimar fahren möchte. Er zählt mir die Wegmöglichkeiten auf. Darunter einen direkten „Schleichweg“ über die Finne. Ich sage, dass mir dieser gut gefällt. Daruf nimmt er einen Block und einen Kugelschreiber und zeichnet mir den Weg auf. Eigentlich überflüssig, denn ich habe ja ein GPS mit digitaler Karte und eine analoge Radwanderkarte aus Papier dabei. Seine Wegbeschreibung ist trotdem hilfreich, vor allem der Hinweis auf die entscheidende Abzweigung in Wennungen „vor der Kirche rechts weg“. Dort geht es über die alte „Kupfer- und Weinstraße“, eine Kopfsteinstraße, den Hügel hinauf. Oben komme ich in einen stärkeren aber kurzen Regen. Im nächsten Ort aber kommt noch ein Starkregen, den ich in einem Buswartehäuschen abwarte.

Bis Weimar komme ich durch eine sanft hügelige Landschaft recht gut voran. Kurz vor Weimar wird in einem kleinen Dorf die Navigation etwas schwierig. Ich frage eine Frau am Straßenrand nach dem Weg zum nächsten Dorf. Sie meint „Sie sind ja gut durchtrainiert. Da kann ich Sie schon über eine schlechte Straße schicken, oder?“ Die Straße ist in der Tat sehr steinig, lässt sich aber deutlich besser fahren als die Seitenstraßen in Potsdam, denke ich mir.

Ich bin zu früh in Weimar, um dort zu übernachten. Nach den Hügeln bis hier her wünsche ich mir eine leichtere Strecke. Ich entdecke im Navi den Ilmtal-Radwanderweg. Am Fluss entlang ist immer gut, ob auwärts oder abwärts. Also lasse ich mich zu diesem Radweg routen. Ich komme durch eine Art Stadtpark. Darin steht „Goethes Gartenhäuschen.“

Hinter Weimar kommt ein Gewitter. Ich warte in einem Waldstück ab, bis es aufhört und beschließe, den Ilmtal-Radweg bis zum nächsten größeren Ort zu fahren und dort einzukehren. Es wird Bad Berka. Schnell noch zum Geldautomaten und dann die erste Pension angesteuert. Es regnet schon wieder stark. Die Pension ist ausgebucht. Weil es regnet, suche ich nicht lange weiter und gehe ins nächste Hotel, den „Hubertushof“.

Samstag, 25.07.2009

Bad Berka – Stützerbach (Thüringer Wald)

Heute geht es die meiste Zeit an der Ilm entlang, den Ilmtal-Radwanderweg. Trotz GPS nehme ich nach den ersten 10km eine falsche Abzweigung. Ich fahre so unnötigerweise über einen Bergkamm. Die Belohnung ist aber eine herrliche Aussicht über den Thüringer Wald und ein paar anstrengungsfreie Kilometer wieder bergab. Unterwegs wechseln Schauer und Sonne einander ab. Der Wind kommt meist von vorn. Ich schreibe es dem Wind zu, dass ich nicht so zügig vorankomme wie sonst. Erst am Abend werde ich beim Bearbeiten der GPS-Daten sehen, dass die Ilm ein relativ starkes Gefälle hat, das ich flussaufwärts zu bewältigen hatte.

Am Vorabend hatte ich per Kommentar von Christoph den Tipp erhalten, in Ilmenau auf den „Kickelhahn“ zu fahren, ein Berg, von dem aus man eine gute Aussicht geniessen kann. Das wäre eine nette Herausforderung. Mit dem Regen und dem Wind heute ist das jedoch heute nicht machbar.

Stattdessen fahre ich zwischen Regenschauern und Sonne weiter gen Süden und übernachte in Stützerbach. Unterwegs hatte ich schon den Wanderhinweistafeln entnommen, dass die Quelle der Ilm nicht weit von Stützerbach ist. Der Gedanke, die Ilm bis zur Quelle hinauf gefahren zu sein gefällt mir sehr gut.

Sonntag, 26.07.2009

Stützerbach – Buttenheim

Schon gestern Abend hatte ich beim Einstellen der Tagesroute in Google Maps angeschaut, wie weit es noch bis Forchheim ist. Bis Bamberg sind es ca. 100km, bis Buttenheim sagt die Routenplanung 124km. Das wäre gerade noch machbar, wenn es nicht zu viel bergauf geht dabei. Beim Frühstück schaue ich mir auf der Papierkarte das Gelände an. Ein bischen höher muss ich noch, aber dann komme ich irgendwann aus dem Thüringer Wald heraus nach Coburg. Und ab Coburg kann ich links oder rechts um den Staffelberg herum fahren. Ich muss nur am Montag bis ca. Mittag ein Quartier in der Nähe von Forchheim haben, von wo aus ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Annafest fahren kann. Der Weg rechts herum über Bamberg sieht flacher aus. Und in der Region Bamberg kenne ich noch einige Unterkunfadressen.

Am Frühstückstisch sitzt mit mir eine Gruppe vom vier Motorradfahrern. Zwei Paare, mitte Vierzig. Wir tauschen uns aus über die Erfahrungen mit Landkarten und Navigationsgeräten. Die Gruppe war am Vorabend aus Baden angereist, will heute durch den Thüringer Wald fahren und auch heute wieder zurück nach Baden. Das Fahrrad ist da doch eine etwas andere Fortbewegungsart. Vor allem, was das Er“fahren“ des Geländes angeht, denke ich mir.

Ich fahre über den Rennsteig. Stützerbach liegt etwas über 600m. Der höchste Punkt des Rennsteigs liegt auf einem unbefestigten Weg im Wald bei 825m. Das ist der höchste Punkt der ganzen Tour. Ich erreiche mehrmals hohe Bergkuppen mit gigantischer Aussicht über den Thüringer Wald. Von Neustadt am Rennsteig kann ich in der Ferne schon die fränkische Ebene erkennen. Die Abfahrt nach Coburg geht nicht an einem Stück. Zwischendurch muss ich noch mal auf kurzer Strecke fast 150m hinauf zu einem Ort mit Namen Waffenrod. Ab dann habe ich es geschafft. Ich kann fast 30km weit einfach rollen.

Die alte Zonengrenze zwischen Thüringen und Bayern erkenne ich gerade noch an einer Tankstelle in Thüringen, die so aussieht, als wäre sie früher eine Grenzstation gewesen. War sie wahrscheinlich auch. An der Einfahrt zur Tankstelle steht ein turmähnliches Gebäude. Das muss früher ein Wachturm gewesen sein. Er ist jetzt zu einem Aussichtsturm für Touristen umgebaut, mit Informationen über den Thüringer Wald. Ich rolle daran vorbei fast bis nach Coburg hinein. Um 15:00 Uhr bin ich in Coburg. Ich halte Ausschau nach einer Parkbank für eine Pause.

Fast schon am südlichen Ende von Coburg finde ich eine kleine Parkanlage mit Schatten spendenden Bäumen. Dort lasse ich mich nieder. Meine Kette hatte wieder angefangen zu quietschen. Ich öle sie. Danach studiere ich die Karte. Bis Buttenheim sind es laut GPS knapp 63 km. Das Gelände sieht weiter flach aus bis Bamberg. Ab Bamberg kenne ich mich ohnehin gut aus. Ich beschließe, beim Löwenbräu in Buttenheim anzurufen und mich nach einem Zimmer zu erkundigen. Dort war ich bei der Tour 2004 erstmals eingekehrt, und seither immer wieder mal.

Das Zimmer geht in Ordnung. Ich stille meinen Durst, und mit geölter Kette geht es spielend leicht voran. In Bamberg mache ich an einer Eisdiele an der Wunderburg Halt. 18:30 Uhr. Weil mein Zimmer schon gebucht ist, habe ich keinen Stress. Eine Stunde später klingle ich bei Hans Modschiedler. Er übergibt mir kurz den Zimmerschlüssel und empfiehlt mir – wie immer – zum Abendessen den Löwenbräukeller zu besuchen, den sein Bruder bewirtschaftet.

In der Eile vergesse ich zu fragen, ob ich das Zimmer morgen auch noch haben kann. Denn ich denke daran, den Vormittag morgen mit der Bahn nach Bamberg zu fahren, und von dort am Nachmittag nach Forchheim. Ich stille Durst und Hunger auf dem Keller. Danach falle ich müde ins Bett. Statt gleich zu schlafen schalte ich noch den Fernseher ein. Es läuft eine Dokumentation über die Berliner Mauer. Wie passend!

Montag, 27.07.2009

Bamberg und Forchheim – ohne Rad

Das Frühstück beim Löwenbräu ist fränkisch reichhaltig. Am liebsten habe ich die Kürbismarmelade. Ich verlängere um eine Nacht, das Zimmer ist zum Glück noch nicht gebucht. Danach laufe ich zum Bahnhof. Auf den Zug nach Bamberg muss ich keine zehn Minuten warten. Kleiner Stadtrundgang. Ich schaue mir die Baustelle der Kettenbrücke an. In Bamberg werden seit 2005 schon nach und nach alle Brücken über den Main-Donau-Kanal erneuert. Schlenkerla Rauchbier ist Pflicht. Im Schlenkerla bei gutem UMTS Empfang bringe ich das Blog auf Vordermann.

Am Nachmittag mit dem Zug nach Forchheim. Dei letzten Jahre war ich immer am Wochenende auf dem Annafest. Heuer am Montag ist es etwas ruhiger. Auf dem Nederkeller begrüße ich erst Claudia in der Küche. Sie hat viele Jahre auf dem Nederkeller bedient, auch als ich 2004 das erste mal dort war. Das war vor meiner damaligen Tour auf einer Vorbereitungsfahrt mit dem Auto. Ich bekomme mein Annafest-Kultshirt 2009, das die Familie Bernklau, die Pächter vom Nederkeller, für mich von der Frau Neder organisiert haben. Es gibt jährlich nur jeweils 50 Stück davon. Ich bin eigentlich kein Sammler. Aber die Shirts sind gute Qualität und sehen auch gut aus. Ich freue mich über mein diesjähriges Exemplar.

Das Festgelände füllt sich. Die Bands beginnen zu spielen. Es ist keine Zeit, mich mit meinen Freunden vom Keller zu unterhalten. Ich setzte mich an einen der Tische im Kellerwald, esse und trinke und genieße das Fest. Mit dem Zug um halb Zehn fahre ich zurück nach Buttenheim. Ich merke, das es bald August ist. Es wird schon merklich früher Nacht als vor meinem Tourstart.

Dienstag, 28.07.2009

Buttenheim – Nürnberg

Der bequemste Weg wäre durch das Regnitztal, entlang des Main-Donau-Kanal-Radwanderwegs. Doch wozu habe ich die lange Strecke bis hier her zurückgelegt? Doch auch um körperlich fit zu werden! Also fahre ich über die westlichen Ausläufer der fränkischen Schweiz hinüber nach Forchheim und freue mich über die Aussicht auf das Tal.

Das GPS brauche ich auf dieser Strecke nicht. Ich kenne die Gegend sehr gut. Ich nehme den Weg „von oben“ zum Kellerwald und fahre noch mal beim Nederkeller vorbei. Wochentags ist auf dem Annafest kurz nach Mittag noch kein Betrieb. Heute ist daher auch Zeit, ein paar Worte mit meinen Freunden auf dem Keller zu wechseln.

In Erlangen schaue ich bei Gary und Ute vom „English Pub“ vorbei. Ute war im Herbst an Krebs erkrankt. Der Pub ist daher gerade geschlossen. Gary ist mit Nano (einem großen Hund) im Garten. Wiedersehensfreude. Ute kommt auch heraus. Ich muss zwei mal hinschauen, erkenne sie aber wieder. Die beiden erzählen mir von ihren Plänen, wie sie mit der Gaststätte weiter machen wollen. Kein Pub mehr soll es werden. Die englischen und irischen Brauereien haben ihre Konditionen verschärft. Stattdessen soll es im fränkischen Stil weitergehen. Ute klingt bereits wieder sehr kraftvoll während sie erzählt. Die beiden geben mir Gutscheine für das Tittinger Kellerfest mit auf den Weg. Ich bin gerührt und fahre weiter.

In Nürnberg bin ich mit Willi verabredet. Wir möchten uns in Gostenhof treffen. Von Erlangen sind noch gut 25km zu fahren. Ich schätze meine Ankunftszeit, berechne dabei die Hotelsuche mit ein. Knapp einen Kilometer vom Verabredungsort entfernt finde ich auch das Hotel „Hamburg“ von „Herrn Hansen“. Lustig, wie die Namen zu passen scheinen.

Mittwoch, 29.07.2009

Nürnberg – Treuchtlingen/Wettelsheim

Die Umgebung wird immer vertrauter. Geländetechnisch gibt es heute wieder eine Herausforderung: Bei Treuchtlingen verläuft die europäische Wasserscheide. Ich werde noch mal einen Höhenzug überwinden müssen. Vor Schwabach fahre ich an einem Tabakfeld vorbei. Ich bin immer wieder beeindruckt, wie groß und dickfleischig die Tabakblätter sind und wie schön doch die Blüten.

In Ellingen bin ich zum ersten mal mit dem Rad. Das gibt mir Gelegenheit, die beeindruckende Schloßanlage zu betrachten. Mit dem Auto bin ich bisher immer achtlos daran vorbeigerauscht.

Von Ellingen über Weißenburg bis Wettelsheim dann die Steigung der Wasserscheide.

Am Abend treffe ich wieder Willi – mit seiner Mutter und seinem Onkel auf dem Wettelsheimer Keller.

Donnerstag, 30.07.2009

Wettelsheim/Treuchtlingen – Ingolstadt

Ich fahre durch das Altmühltal. Der Radweg ist ein Klassiker für Urlaubsradwanderer. Es sind Gruppen allen Alters auf dem Rad unterwegs. Auffallend viele Familien und Rentnerreisegruppen. Nach der Steigungserfahrung im Ilmtal achte ich auf die Höhenmeter: Die Altmühl hat fast kein Gefälle. Auf 20km gerade mal ein oder zwei Meter Höhenunterschied. Das erklärt die Beliebtheit der Strecke.

Mein Ziel heute ist Ingolstadt. Die Altmühl fließt nach Norden in die falsche Richtung. Ich biege in Dollnstein nach rechts ab in das Ur-Donau-Tal und nehme Kurs auf Ingolstadt. In Ingolstadt verwende ich zum letzten mal mein GPS zur Suche nach einer Unterkunft. Das Hotel Adler wird es. Im Zentrum. Es ist „radlerfreundlich“. Die Übernachtung für Radler ist 10€ billiger.

Freitag, 31.07.2009

Ingolstadt – München

Der letzte Tag. Ich bin froh und traurig zugleich. Weil ich am Abend kein Hotel mehr suchen muss, lasse ich mir viel Zeit. Schon gestern Abend habe ich mit dem Tourtelegramm begonnen. In Scheyern mache ich im Klosterbiergarten Station. Das einzige mal, dass ich eine Mittagspause einlege. Ich schalte auch mein Netbook ein, schreibe noch zwei Tage ins Tourtelegramm und stelle den ersten Teil online.

Das Gelände zwischen Donau und Isar-Amper-Tal ist noch mal sehr anspruchsvoll. Ein wenig bereue ich, dass ich eine große Pause eingelegt habe. Als ich aber in Günzenhausen vor Eching die Isarebene überschaue und die Skyline Münchens sehe mit dem Olympiaturm und der Allianzarena atme ich tief durch. Die Tour ist so gut wie geschafft. Die letzten Meter über Garching zur Isar und bis ganz nach hause sind alle Anstrengungen vergessen. Der Körper hat sie aber doch gespürt. Nach der Dusche zuhause falle ich schnell in einen tiefen und erholsamen Schlaf.

Am nächsten Morgen werde ich mich beim Aufwachen wundern, dass ich tatsächlich wieder zuhause bin. Wann und wo war noch mal Berlin … ?

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2 Responses to “Tourtelegramm”

  1. doris sagt:

    WOW! Danke auch noch mal für diese Eindrücke, es kommt nochmal anderes rüber als bisher, vielleicht weil auch wir es nun „rückwärts“ betrachten können.
    Tolle Tour, Ralf, und tausend Dank, dass du uns mitgenommen hast!

  2. Hallo Ralf,

    Uff, habe nun alles gelesen! Und wie du gestern in der FoB sagtest kommt dein fantastischer Eindruck von der Radltour sehr gut in deinem Bericht rüber !!
    Da hast du ja alles ganz toll beschrieben, es hat Spaß gemacht deine Erlebnisse zu lesen, vielen Dank !!

    Gruß Peter